Jonna Tilgner auf www.leichtathletik.de

 (06.05.2007)
News   5.5.2007 | Leute | Birgitt Retzer Jonna Tilgner hebt nur über der Hürde ab Sie hat ihre Bestzeiten über 200 und 800 Meter pulverisiert, sich über 400 Meter um über zwei Sekunden auf 53,26 Sekunden gesteigert - Jonna Tilgner (Bremer LT/TuS Komet Arsten) hat eine grandiose Hallensaison hinter sich, die mit ihrer ersten EM-Teilnahme in der 4x400-Meter-Staffel (Rang fünf in Birmingham) gekrönt wurde. Den "Flow" aus der Halle will Jonna Tilgner, die in erster Linie eine erfolgreiche 400-Meter-Hürden-Läuferin ist, nun ins Freie mitnehmen.  Jonna Tilgner der Zufall führte sie zu den Hürden (Foto: Kiefner)Haben die starken Hallen-Auftritte der 22 Jahre alten Psychologie-Studentin gar Appetit auf die 400 Meter flach gemacht? Jonna Tilgner winkt ab: "Nein, Hauptaugenmerk bleiben die 400 Meter Hürden. Die liebe ich einfach zu sehr." Im Gegensatz zur Flachdistanz sei die Strecke durch die Hürden so schön unterteilt, nennt sie einen weiteren Grund für ihre Vorliebe: "Da kann man von Hürde zu Hürde denken." Dass Jonna Tilgner bei den Hürden "hängenblieb" ist Zufall, ebenso, dass sie überhaupt mit der Leichtathletik begann. Denn bis dahin betrieb sie Turnen und Ballett, bevor die damals 10-Jährige bei einem Trimm-Trab-Lauf der Grundschule dem Leichtathletik-Spartenleiter vom MTV Friesen Bakede, Siegfried Tribbensee, auffiel. Dessen Angebot, in seine Trainingsgruppe einzusteigen, nahm sie an und probierte anfangs alles aus, was die Leichtathletik zu bieten hatte, auch Kugel, Diskus, Speer. Schnell merkte sie jedoch, dass das Laufen ihr am meisten Spaß macht. Noch so ein Zufall: Bei einem Sportfest in Schweden wurde Jonna 1999 - sie war inzwischen umzugsbedingt beim MTV Buetzow in Mecklenburg-Vorpommern gelandet - gefragt, ob sie nicht Lust hätte, die 300 Meter Hürden zu laufen. "Klar", dachte sie, "Hürden kannst du, 800 Meter macht dir Spaß, dann werden die 300 Meter Hürden nicht so schlimm sein." Ganz im Gegenteil, sie fand auf Anhieb so viel Gefallen daran, dass sie beschloss, diese Disziplin nicht aus den Augen zu verlieren. Schallmauer fiel erstmals 2004 Mit dem Wechsel ans Sportinternat in Rostock, wohin sie der Landestrainer Mecklenburg-Vorpommern, Ralf Skopnik, geholt hatte, begann das zielgerichtete Training, erst in der Läufergruppe von Klaus-Peter Weippert (Mittel- und Langstrecken), dann ab Mai 2001 in der Sprintgruppe von Peter Schoerling. Jonna Tilgner: "Mir wurde von den Bundestrainern eindringlich geraten, dass ich , wenn ich 400 Meter Hürden laufen möchte, meine Sprintfähigkeiten ausbauen muss." 2001 wurde sie Deutsche B-Jugendmeisterin, 2002 und 2003 jeweils DM-Zweite in der A-Jugend. Trotz der Erfolge lief es zu Beginn ihrer Langhürden-Karriere noch nicht ganz rund. Jonna Tilgner hatte eine schwierigen Start (Foto: Chai)Jonna Tilgner: "Die Kombination aus 800 Meter und Kurzsprint klappte zunächst nicht wie erhofft, ich kam immer nur 300 Meter gut durch." Erst 2006 habe sie es geschafft, beide Komponenten mit Erfolg zu verbinden. Lohn waren 2006 unter anderem Rang vier bei der Deutschen Meisterschaft in Ulm in Bestzeit (57,57 Sekunden) und der Deutsche Juniorentitel. Zudem war sie zum zweiten Mal seit 2004 unter der Schallmauer von sechzig Sekunden geblieben. Für die B-Kader-Athletin der "Knackpunkt": "Das war nach dem unruhigen Jahr 2005 Erleichterung und die Bestätigung, dass ich es noch kann." Eine Zeit der Ungewissheit Die Unruhe ist im nachhinein erklärbar. Nach dem Abitur 2004 belegte Jonna einen Sprachkurs in Boston. Zwar trainierte sie während ihres USA-Aufenthalts weiter, doch die amerikanische Trainingsgruppe, so Jonna Tilgner, "setzte in ihrem Aufbau andere Schwerpunkte, die nicht so gut zu mir passten." Gleich nach ihrer Rückkehr nach Deutschland schloss sie sich der LG Weserbergland an, wo sie im Sprintteam von LG- und Landestrainer Werner Scharf versuchte, ihren Sprint zu verbessern. Doch die erneute Umstellung - Umzug, neuer Trainer, neues Umfeld - innerhalb kurzer Zeit forderte ihren Tribut, ihr Einsatz im Training drückte sich nicht in den von ihr erwarteten Zeiten aus. Zudem lag für sie noch zuviel im Ungewissen. "Ich wusste nicht, was ich studieren soll, wie die Beziehung mit meinem Freund Ola, der in Amerika lebte, weitergehen soll." Jedenfalls zog sie in Betracht, die Leichtathletik zugunsten eines Studiums in den Hintergrund zu stellen. Rückzieher vom geplanten Rückzug Doch dann spielte einmal mehr der Zufall eine Rolle. Freund Ola bekam an der Universität Bremen eine Arbeitsstelle, Jonna Tilgner erhielt an gleicher Stelle einen Studienplatz in Psychologie und zog mit ihrem Freund zusammen. Und weil ihr das Training und Zusammensein mit den Leichtathleten doch abging, erkundigte sie sich beim Leitenden Landestrainer Bremen, Jens Ellrott, zugleich Disziplintrainer Kurz- und Langhürde, nach den Trainingsmöglichkeiten in Bremen und schloss sich kurz darauf seiner T Jonna Tilgner lebt mit ihrem Freund in Bremen (Foto: Müller)rainingsgruppe an. "Ein Glücksgriff", findet Jonna Tilgner nach über einem Jahr Zusammenarbeit. "Er plant das Training so individuell wie es nur geht, inhaltlich und zeitlich, um einen optimalen Tagesablauf für jeden einzelnen in der Trainingsgruppe zu gewährleisten." Das und der Umstand, dass ihr Studium als Diplom-Studiengang ausgelegt ist, weswegen sie sich viele Kurse und Veranstaltungen aussuchen kann, ermöglichen ihr, Studium und Sport unter einen Hut zu bringen. Organisation und Disziplin sind dabei freilich ebenso unabdingbar wie ein gutes Umfeld. Maßvolle Zielsetzung "Das spielt eine große Rolle für mich", sagt Jonna Tilgner, "Da ist einmal meine Familie, die mich in meinen Entscheidungen aber auch finanziell unterstützt. Ganz wichtig für mich ist mein Freund Ola. Ich bin jemand, der Stabilität und Ruhe braucht, etwas, wohin ich mich zurückziehen kann und wo der Sport dann keine Rolle mehr spielt. Meine Energie und Kraft für den Sport ziehe ich sicherlich auch aus meiner Beziehung." Große Bedeutung misst sie auch ihrer Trainingsgruppe bei, da sie dort als Individualsportlerin mit Gleichgesinnten Spaß hat und Motivation findet, "wenn man mal platt oder nicht so gut drauf ist." So gesehen hatte das "unruhige" Jahr 2005 also auch sein Gutes, brachte es doch die Neuorientierung und letztlich auch den sich daraus entwickelten Erfolg. Für die Athletin mit Hang zum Perfektionismus ("Ich möchte am liebsten technisch so laufen wie die Kurzhürdlerinnen") dennoch kein Grund, jetzt gleich nach den Sternen zu greifen. Sie weiß sehr wohl um das Glück, bislang von Verletzungen verschont geblieben zu sein und plant maßvoll einen Schritt nach dem anderen getreu ihrem Wahlspruch: "Der Mensch ist keine Maschine, die nur auf Sieg oder Bestzeit programmiert werden muss." Abheben ist nicht Jonna Tilgners Ding. Deshalb haben sie und ihr Trainer lediglich eine kleine Zielkorrektur nach der fantastischen Hallensaison vorgenommen: Nicht mehr die 57-Sekunden-Schallgrenze wird nunmehr für 2007 angepeilt, sondern die 56,50 Sekunden. Damit hätte sie die Qualifikation für die Universiade in Bangkok.
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